In München ist ein FC-Bayern Trikot einfach ein Must Have! Warum? Na ja, weil jedes Kind, das sich für Fußball interessiert, es hat! Und die Kids wollen ja einfach alle das machen, was ihre Gleichaltrigen tun. Das merkte ich vor allem im Sommer 2016, als ganz Europa im EM-Fußballfieber war!

Natürlich waren auch meine Jungs vom Fußballwahn betroffen! Sticker, CDs, Schuhe, Malbücher, Becher, Karten – alles, was mit Fußball zu tun hatte, stand hoch im Kurs! Ich war ständig am Fußballtrikots waschen, damit Kinder sie am nächsten Tag erneut anziehen können. “Ich muss die Gunst der Stunde nutzen und etwas mit dieser großartigen Energie tun”, dachte ich mir. Und im Sommer habe ich meinen damals 5-jährigen Sohn zu einem Fußballtraining angemeldet. Einmal in der Woche, 45 Minuten. Nicht zu anstrengend, aber eine gute Gelegenheit, um Fußball zu spielen und neue Tricks dazu zu lernen.

Außerdem suchte ich nach einer Herausforderung, die dem Großen vorbehalten wäre – eine Erzieherin im Kindergarten gab mir diesen Tipp, da meine beiden Kinder seit über einem Jahr in der selben Gruppe sind und praktisch 24 Stunden am Tag mit einander zusammen sind, ohne sich vermissen zu können. Der Große sollte sich wie ein größeres Kind fühlen und seine eigenen Hobbys entwickeln. Dies war für mich ganz logisch und nachvollziehbar. Ein Fußballtraining für ältere Kinder schien mir eine gute Lösung zu sein, um diese Idee zu verwirklichen.

Fußball Training

Schnupperstunde

Leider dauerte es etwas länger, bis ich eine passende Gruppe in der Nähe fand. Doch schon bald durften wir an einer Schnupperstunde teilnehmen, damit Leo entscheiden konnte, ob ihm das Training gefällt. Der Kurs fand direkt nach dem Kindergarten statt – wir fuhren mit unserem Fahrrad und dem Anhänger hin. Beide Kinder schliefen sofort ein, weil sie an dem Tag sehr müde waren. Vor Ort musste ich sie natürlich wecken, damit wir an dem Training teilnehmen konnte. Viele der anwesenden Jungs trainieren dort bereits schon länger – sie wirkten selbstbewusst, kannten bereits alle Regeln und sich untereinander. Leo war sehr schüchtern, gleichzeitig aber aufgeregt und gespannt, was auf ihn zukommt. Er folgte den anderen Kindern in den Sportsaal einer großen Schule und wir Eltern und Geschwister durften das Training von der Besucherterrasse beobachten.

Ca. 10 Kinder zwischen 4 und 6 Jahre nahmen an dem Kurs teil. Es gab zwei sehr nette Trainer, die alles sehr liebevoll erklärten und eine schöne, stressfreie Stimmung schafften. Der kleine Bruder saß mit mir oben in der Galerie und feuerte den Großen an, wenn immer er am Ball war. Ich war begeistert und sehr glücklich, dass mein schüchterner Sohn sich mit anderen Kindern beschäftigte, die er bisher nicht kannte – eine gute Vorbereitung auf die Schule, dachte ich mir.

Nach der ersten Stunde war Leo sehr stolz! Er strahlte und erzählte begeistert von den neuen Bewegungen, die er gerade gelernt hatte. Er war auch ganz glücklich, dass wir die ganze Zeit zuschauten und ihm beim Training bewunderten. Als ich fragte, ob er Lust hätte, sich beim Training fest anzumelden, nickte er mit dem Kopf und lächelte.

Gesagt, getan – ich meldete mich als Vereinsmitglied an, überwies die Gebühr und freute mich, dass Leo ein neues Hobby für sich entdeckte.

Bauchschmerzen gegen Bauchgefühl

Eine Woche später, als wir zum Training fahren wollten, beschwerte sich mein kleiner Fußballer über Bauchschmerzen. Er meinte, er müsse dringend nach Hause fahren. Dafür gab es aber keine Zeit, denn sonst hätte ich es nicht zeitig zum Training geschafft. Ich gab ihm etwas zum Essen und zum Trinken und versprach, dass wir vor dem Training noch kurz eine Pause machen würden. Mein Bauchgefühl sagte mir, dass er einfach kalte Füße bekam, weil wieder eine neue Herausforderungen auf ihn warteten. Ich dachte mir aber, wenn wir dann da sind und er seinen lieben Trainer wieder sieht, wird alles wieder gut sein.

Vor Ort angekommen wollte Leo nicht mal aus dem Fahrradanhänger aussteigen – er sagte, er würde sich nicht ausziehen und nicht am Training teilnehmen. Ich wurde etwas nervös, denn ich hatte ihn ja gerade angemeldet! Einerseits wollte ich, dass er die Verantwortung für eigene Entscheidungen trägt und nicht sofort aufgibt, weil er zu schüchtern oder zu müde ist, andererseits wollte ich ihn nicht unter Druck setzen, so dass er die Freude am Fußball verliert! Was soll ich jetzt machen, überlegte ich ständig. Letztendlich bat ich ihn darum, mit dem Trainer kurz zu sprechen und ihm zu erklären, dass er heute nicht mitmachen möchte. Der Trainer nahm es sehr locker, streichelte Leos Kopf und vereinbarte mit ihm, dass er nächste Woche auf jeden Fall kommt.

Leo schien erleichtert und beruhigt zu sein und wie durch ein Wunder waren seine Bauchschmerzen auf einmal wieder verschwunden.

Nächste Woche ging es alles wieder gut und Leo freute sich zusätzlich, weil sein Kindergartenfreund an dem Tag seine Schnupperstunde hatte (den Kurs empfahl ich seiner Mama). So war Leo nicht mehr allein, ohne jemanden in der Gruppe zu kennen. Der Freund war vom Training begeistert und wollte anschließend weitermachen. Beim nächsten Training nahm ich sogar nur die zwei Fußballer mit und die andere Mama nahm ihre kleineren Brüder mit nach Hause, damit es für beide Seite entspannter und nicht so anstrengend wurde.

Danach gab es eine kleine Weihnachtspause und der Kurs fing erst wieder im Januar an. Der Kindergartenfreund fuhr mit seinen Eltern für zwei Wochen in den Urlaub und im Januar war es so rutschig und kalt, dass ich mich nicht mehr traute, mit dem Fahrrad zu fahren. Wir mussten ein paar Stationen mit der U-Bahn fahren und alles dauerte insgesamt sehr viel länger, dass wir erst gegen 18.00 Uhr zuhause waren. Es war sehr kalt und dunkel und die Kinder waren einfach nur k.o.

Meine Opferrolle

Und dann, nach zwei weiteren Wochen kam Leo zu mir und meinte, dass er nicht mehr zum Training gehen möchte. Ich nahm alles auf die leichte Schulter, denn solche Sätze höre ich oft und meistens haben sie nichts mit der Realität zu tun. Das ist einfach Leos Art, um sich vor neuen Herausforderungen zu schützen. Sobald er dann aber mit der Sache beginnt, ist er Feuer und Flamme und macht sehr gerne mit.

Deswegen bin ich an dem Tag trotz seiner schlechten Laune zum Training gefahren. Ich wusste, dass der Freund wieder da ist und endlich mitmachen kann. Leo aber blieb stur und wollte sich wieder nicht ausziehen. In seinem Schneeanzug stand er in der Garderobe, war bockig und unzugänglich. Und ich? Ich war enttäuscht und wütend! Ich habe doch alles extra für ihn getan – diese lange Fahrt mit der U-Bahn, Anfeuern und Klatschen von der Besucherterrasse, meine Freizeit geopfert etc. Ja, ich habe mich gerne in der Opferrolle gesehen – als Mutter, die für ihren geliebten Sohn ein Stück ihrer Freiheit abgibt, ihre Müdigkeit und Anstrengung zelebriert und eine sportliche Challenge für das eigene Kind anbietet. Schließlich brauchen alle Jungs Bewegung und alle Kinder in Bayern spielen Fußball. Im FC-Bayern Trikot natürlich!

Fußball Kinder München

Und Leo? Er war sehr traurig und spürte meine Wut. Ich sagte ihm, dass ich nie mehr herkommen würde, dass es seine letzte Chance sei, beim Training zu bleiben und dass ich ihn abmelde, sobald wir zu Hause ankämen. Nichts half. Er blieb stur und wollte nach Hause gehen. Ich lies aber nicht locker, weil ich wollte, dass er die Konsequenzen dieser Entscheidung trägt. Ich bat ihn, dem Freund und dem Trainer mitzuteilen, dass er sich abmelden werde, was er mit traurigem Gesicht tat. Es überraschte mich eigentlich, weil ich dachte, das traut er sich nicht. Er tat es aber, obwohl er in solchen Situationen schüchtern und zurückhaltend ist. Er tat es mir zuliebe.

Bis zur U-Bahn Station konnte ich kein Wort mehr sagen. Ich fühlte mich enttäuscht und wütend und ich schämte mich ein bisschen, dass wir den Freund im Stich gelassen hatten. Auch Leo wirkte bedrückt und sehr traurig. Nichtmal sein Bruder traute sich, etwas zu sagen, weil die Stimmung so schlecht war.

Und auf einmal, als wir schon in der U-Bahn waren, drehte sich Leo zu mir uns sagte: “Mama, mir wurde einfach alles zu viel!” und eine einzige Träne kullerte über seine Wange. “Magst du denn keinen Fußball mehr?”, fragte ich ihn immer noch wütend. “Doch, ich mag Fußball sehr gerne, ich will aber nicht mehr nach dem Kindergarten zum Training gehen”, ergänzte mein Sohn und drehte sich mit dem Gesicht wieder um.

Auch wenn ich es sehr schade finde, weil Leo dabei so viele soziale Kompetenzen gewinnen könnte, muss ich wohl seine Entscheidung akzeptieren. Außerdem war es ja nicht ganz so schlimm, denn er geht einmal in der Woche zum Schwimmen und im Kindergarten regelmäßig zum Turnen. Seitdem wir nicht mehr zum Fußball gehen, sind unsere Nachmittage wieder etwas entspanter geworden, weil die Kinder einen Nachmittag frei haben, an dem sie zu Hause spielen können. Die Woche ist nicht mehr ganz so verplant und auch ich spare viel Energie. Diese Erfahrung hat mich gelehrt: hört nicht nur auf Euer Bauchgefühl sondern vertraut auch dem Bauchgefühl Eurer Kinder. Denn manchmal wissen sie besser, was ihnen gut tut. Ja, oft sind sie einfach schlauer, als wir!

Und im Frühjahr gehen wir wieder Fußball spielen, aber bei uns im Hof. Vielleicht kommt der Nachbars Junge Simon und dann spielen sie alles zusammen. Und wir Mamas können uns in der Zeit auf der Bank entspannen und uns beschweren, wie anstrengend unser Leben geworden ist, seit dem wir Kinder haben…

FC Bayern München Junge