Anfang des Jahres habe ich Euch meinen Artikel über 7 deutsche Kuriositäten präsentiert. Dinge, über die ich mich wundere oder an die ich mich selbst nach 10 Jahre in Deutschland noch nicht gewöhnt habe.

Heute möchte ich den Spieß umdrehen und Euch ein paar Kuriositäten aus meiner Heimat Polen verraten. Natürlich kommen sie mir nicht wirklich komisch vor, denn dafür kenne ich sie zu gut. Da ich schon länger in Deutschland lebe, fallen mir diese Sachen immer nur dann auf, wenn ich in Polen Urlaub verbringe. Denn viele der Gesten oder Sitten sind für mich nicht mehr so selbstverständlich und alltäglich und daher frage ich mich selbst, warum wir Polen bestimmte Sachen so machen, wie wir sie eben machen!

Also, hier ist meine Liste der polnischen Kuriositäten, die mir als in Deutschland lebende Polin immer wieder sofort auffallen.

1 Bier mit Sirup und Strohhalm

Ich erinnere mich immer wieder sehr gerne an meine Uni-Zeit in Warschau, besonders an die vielen lustigen Abende in Bars, Restaurants und Discos! Anfang zwanzig ist man ja noch unternehmungslustig und geht sehr gerne aus 😉

Mein bevorzugtes Getränk war damals  Bier. Warum? Nicht, dass es mir sooo gut geschmeckt hätte, es war halt bei jungen Leute hipp und ich wollte mich nicht so sehr von ihnen unterscheiden. Richtige Kerle bestellten immer ein (oder mehrere) Bier und Frauen nahmen sehr oft ein Bier mit einem Schuss Himbeer-Sirup. Somit schmeckt das Bier etwas süßlicher und milder. Die meisten Frauen bekamen zum Bier auch einen Strohhalm. Es war einfach so und ich hinterfragte es nicht.

Nachdem ich viele Jahre in Bayern gelebt habe, habe ich eine ganze neue und besondere Haltung zum Bier.  Jetzt wundere ich mich über dieses Strohhalm-Phänomen schon sehr, kann es aber bis heute nicht erklären!

Was mir zusätzlich noch einfällt, ist die Tatsache, dass die Polen ihr Bier oft aus einem Plastikbecher trinken. Bei Open-Air Konzerten oder einer großen Veranstaltungen im Freien kann ich es verstehen, aber in einem kleinem Stadt-Biergarten oder in einer Bar?

2 Adresse

Falls Ihr mal eine Postkarte oder einen Brief nach Polen verschicken möchtet, müsst Ihr nicht nur die Straße und die Hausnummer wissen, sondern auch und vor allem die Wohnungsnummer. Denn in Polen ist bei einer Briefsendung Wohnungsnummer fast das Wichtigste! Nicht mal der Name des Empfängers ist so wichtig! Kaum zu glauben, oder? Also ein richtig adressierter Briefumschlag würde beispielsweise so aussehen:

Jan Kowalski
ul. Wzorcowa 3/15
30-446 Miasto
Polen

In diesem Beispiel ist die “15” tatsächlich die Wohnungsnummer.

Mir selber ist es schon passiert, dass mein Brief nicht zugestellt wurde, weil die Wohnungsnummer fehlte, obwohl all anderen Daten richtig waren!

Das hat natürlich auch Auswirkung auf die Schilder, die sich an der Eingangstür befinden. In Deutschland stehen dort immer die Namen der Einwohner, in Polen hingegen sind das nur Nummern. Falls Ihr also jemanden besuchen wollt, aber nicht die genaue Wohnungsnummer wisst, seid Ihr leider aufgeschmissen 😉

10 Fakten über Polen - Wohnungsnummer

3 Nachnamen

Über die vielen möglichen Varianten eines polnischen Vornamens habe ich bereits in dem Artikel über deutsche Kuriositäten geschrieben. Die Abweichungen der Vornamen zeigen den Intimitätsgrad mit der jeweiligen Person oder wie sympathisch sie uns ist.

Eine Besonderheit gibt es allerdings auch bei den typischen polnischen Nachnamen – warum einfach, wenn es auch schwierig geht, oder? 😉 Also, am besten zeige ich es Euch anhand ein paar Beispiele.

Was in Deutschland der  “Müller” ist, ist in Polen “Kowalski”. Aber, es wird fein unterschieden, ob es ein Herr oder eine Frau ist. Das heißt, dass der Name entweder auf “i” (Herr) oder “a” (Frau) endet! Dies gilt für alle Nachnamen, die auf “ski” enden.

Wenn wir also ein Ehepaar haben, würden sie z.B. wie folgt heißen: Jan Kowalski und Anna Kowalska. Obwohl sich die Nachnamen unterscheiden, sind das tatsächlich Eheleute! Problematisch wird es, wenn Anna Kowalska einen Sohn hat, der natürlich (genau wie sein Papa) Kowalski mit Nachname heißt. Ob die deutschen Behörden glauben, dass Mama und Sohn zur selben Familie gehören? Das möchte ich gerne wissen 😉

Aber das war noch nicht alles, es geht noch komplizierter! Es gibt eine besondere Art, Jan und Anna als Paar vorzustellen! Auf Deutsch würden wir sagen “Herr und Frau Kowalski”. Auf Polnisch aber müsste man den Nachnamen plural deklinieren, das sieht dann so aus: “Państwo [Herr und Frau] Kowalscy“. Ja, ich sehe schon, wie Ihr die Augen verdreht oder gerade nach dem Sinn des Lebens fragt! 😉 Ich weiß, es scheint kompliziert zu sein – und das ist es auch 🙂

Hier noch ein paar Beispiele, um diese Angelegenheit besser zu erklären:

Elżbieta Morawska & Stanisław Morawski / Państwo Morawscy

Krystyna Chłopińska & Zbigniew Chłopiński / Państwo Chłopińscy

Beata Dąbkowska & Rafał Dąbkowski / Państwo Dąbkowscy

Alles klar, oder? 😉

4 9 besondere Buchstaben (diakritische Zeichen)

Bei den polnischen Nachnamen habe ich extra solche ausgesucht, bei denen einige “polnische Buchstaben” also so genannte diakritische Zeichen vorkommen. Sie ergänzen das lateinische Alphabet und weisen auf die typisch polnischen Lauten hin. Es gibt neun solche Helden, dank denen das polnische Alphabet insgesamt 32 Buchstaben zählt:

ą, ć, ę, ł, ń, ó, ś, ź, ż

Kennt Ihr Sie? Ich vermute: nicht. Der Grund dafür ist, dass diese Buchstaben bei polnischen Namen in Deutschland einfach verschwinden. Das heißt, sie werden auf ihre ursprüngliche Form des latainischen Alphabets geändert. Ich habe wieder ein paar Beispiele für Euch:

Marcin Król wird zu Marcin Krol;
Łukasz Puchała zu Lukasz Puchala;
Małgorzata Żmijewska zu Malgorzata Zmijewska etc.

Doch es gibt auch ein paar Ausnahmen – drei der berühmtesten Persönlichkeiten aus der polnischen Geschichte, hatten/haben tatsächlich auch diakritische Zeichen in ihren Nachnamen:

Lech Wałęsa –  polnischer Politiker und Friedensnobelpreisträger, Vorsitzender der Gewerkschaft Solidarność und Staatspräsident Polens.

Karol Józef Wojtyła –  Johannes Paul II., zwischen 16. Oktober 1978 bis 2. April Papst der römisch-katholischen Kirche.

Maria Skłodowska-Curie –  Physikerin und Chemikerin, die Nobelpreise für zwei unterschiedliche Wissenschaften erhielt (Physik und Chemie).

5 Sonntagsshopping / Einkaufszentren

Der polnische Kapitalismus ist noch relativ jung. Nach der Wende 1989 kamen die großen Konzerne nach Polen und eröffneten große Einkaufszentren und ermöglichten Shopping nach Lust und Laune. Inzwischen gibt es jede Menge Shoppingmals oder kleine lokale Discounter! Das außergewöhnliche im Vergleich mit Deutschland ist, dass die meisten Läden auch am Sonntag geöffnet haben, was natürlich eine große Auswirkung auf die Freizeit und das Familienleben hat. Denn so ein Familienbesuch im Einkaufszentrum ersetzt oft leider einen gemeinsamen Ausflug in die Natur oder einen Spaziergang im Park.

Es gibt aber natürlich auch Vorteile: unter der Woche oder sogar am Sonntag kann man bis spät in die Nacht einkaufen gehen. In Großstädten gibt es inzwischen Einkaufsläden, die 24 h geöffnet sind. Für die Menschen, die Schicht arbeiten, ist es bestimmt eine große Erleichterung.

Aber selbst in kleineren Städten oder sogar Dörfern gibt es Geschäfte, die die ganze Nacht durch geöffnet sind – hier werden aber meistens Alkohol und andere Genussmittel verkauft.

Nachtsläden

6 Sonntag in der Kirche

Für diejenigen, die neben Sonntagsshopping not etwas Zeit haben, öffnet auch die römisch-katholische Kirche ihre Pforten. Und zwar nicht nur einmal am Tag – in meisten Städten gibt es 6 bis 8 Messen in einer Kirche! Der letzte Gottesdienst – oft bei der akademischen Seelsorge – findet um 20.00 Uhr statt.

Der Sonntagsbesuch in der Kirche gehört für viele Familie einfach immer noch dazu und ist unverzichtbar.

Sonntag in der Kirche - Fakten über Polen

7 Billboards überall

Die freie Wirtschaft hat es den Polen ermöglicht, eigene Businessideen selbstständig zu entwickeln und umzusetzen. Am besten sieht man dies, wenn man sich mit dem Auto einer polnischen Stadt nähert. Sobald man sich in der Vorstadt befindet, sieht man überall in der Landschaft Banners und Werbeplakaten. Jeder Zaun, jede Gartenecke wird genutzt, um verschiedene Marken und Produkte zu promoten. Jeder darf und will damit Geld verdienen, denn das ist ein relativ einfaches Einkommen. Leider wird dabei nicht an die Harmonie der Landschaft oder an den gesunden Verstand gedacht – jeder macht, was er will, alles sieht buntscheckig aus und sieht nicht sonderlich schön aus.

Hier ein paar Beispiele von der “Zakopianka” – der im Sommer meist befahrenen Straße von Krakau nach Zakopane.

10 Fakten über Polen - Banner und Werbeplakate

8 Alle guten Dinge sind drei!

In meiner Liste darf auf keinen Fall die polnische Art des Küssens fehlen. Vielleicht habt Ihr schon gehört, dass die ältere Generation in Polen gerne Handküsse verteilt – und das stimmt auch. Diese Geste wird aber mit der Zeit vermutlich verschwinden. Was aber sicherlich bleibt, ist die Art, Küsse auf die Wange zu verteilen. Ähnlich, wie in der Schweiz, gibt man sich in Polen zur Begrüßung oder zum Abschied, DREI Küsse auf die Wange: entweder rechts, links, rechts oder links, rechts, links. Egal wie, Hauptsache dreimal! Auch wenn es nur “Luftküsse” sind 😉

Wichtig sei noch zu ergänzen, dass diese Art und Weise für weiter entfernte Familienmitglieder oder für Bekannte vorgesehen ist. Denn wenn man eng befreundet ist, umarmt man sich nur noch oder küsst sich nur einmal. Also ähnlich wie bei den Vornamen, kann man daraus ableiten, wie vertraut die jeweiligen Personen miteinander sind.

9 Schulnoten

Nicht nur das deutsche Schulsystem sondern vor allem die deutschen Schulnoten sorgen bei zugereiste Polen für Aufregung und Verwirrung. Denn in Polen – im Gegensatz zu Deutschland – ist die beste Note die 5 und die schlechteste die 1. Es gibt noch die Note “6”, die man als “ausgezeichnet” übersetzen kann und die tatsächlich nur für eine Sonderleistung vergeben wird.

Also selbst bei den Schulnoten kann man vieles falsch verstehen, denn eine 1 ist nicht immer eine 1!

10 Dialoge in der Literatur

Am Anfang meines Abenteuers mit der deutschen Sprache könnte ich mich daran kaum gewöhnen – die Dialoge in deutschen Romanen werden etwas anders geschrieben als in polnischen Bücher. Am besten kann ich es Euch anhand einer Geschichte von Otfried Preußler zeigen, die wir in deutscher als auch in polnischer Ausgabe lesen: Das kleine Gespenst erscheint in Polen unter dem Titel Mały Duszek. Doch schaut Euch die zwei Bilder derselben Seite genau an. Seht Ihr den Unterschied?

In der deutschen Ausgaben beginnen und enden Dialoge mit Anführungszeichen. In der polnischen Version beginnen die Dialoge mit einem Gedankenstrich. Ein kleiner, aber sehr feiner Unterschied, der mich immer noch zum Staunen bringt 🙂

Das waren 10 Dinge über Polen, die Ihr bisher sicherlich noch nicht wusstet – von Sitten und Gewohnheiten über die Sprache bis zu literarischen Feinheiten. Ich hoffe, dass ich Euch damit die polnische Mentalität oder einfach einige Nuancen zwischen unseren Kulturen erklären konnte. Mein Ziel war es, Euch auf die Polen und das Land etwas neugierig zu machen! Habe ich es erreicht? Schreibt mir es gerne in den Kommentaren!

Eure Dominiczka Rotthalerińska 😉

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