Ich bin ein ganz großer Europa-Fan! Mit Europa meine nicht nur den geographischen Kontinent, sondern auch, oder vielleicht vor allem, die Europäische Union. Und nein, mir geht es weniger um die gleiche Gurken-Größe in allen EU-Ländern als Symbol der Bürokratie! Viel mehr geht es mir hier um die Möglichkeiten und Freiheiten, die die EU bietet.

Ich bin 1980 in der dunklen Phase des polnischen Kommunismus geboren. Bereits 1981 wurde in Polen das Kriegsrecht eingeführt. Die Maßnahme war mit der Militarisierung von Verwaltung, Wirtschaft und Medien, mit der Aufhebung von Bürgerrechten sowie einer das ganze Land erfassenden Verhaftungs- und Repressionswelle verbunden. Natürlich kann ich mich nicht daran erinnern, auch wenn dieser Zustand über 2 Jahre dauerte, aber ich bin damit aufgewachsen. Ich wusste, dass es auf der Welt Mächte gibt, die einem Menschen internieren oder in ein Heim sperren können. Ich kapierte relativ schnell, dass Essen rationiert wurde und nur mit einer Lebensmittelkarte erhältlich war. Ich begriff, dass sich meine Eltern sich nicht frei bewegen konnten und selbst wenn sie in eine andere Stadt fahren wollten, brauchten sie einen besonderen Passierschein. Ich verstand, dass meine Verwandten aus dem Ausland uns immer wieder Päckchen schickten, in denen es Kleider und Süßigkeiten gab, die ich noch nie gesehen hatte! Diese Pakete rochen nach Freiheit und Wohlstand und auch wenn es mir damals nicht ganz bewusst war, strebte ich in meinem Leben sehr danach.

All das hat mich sehr stark geprägt und meine Weltanschauung tief beeinflusst!

In Polen geboren, in Deutschland wohnen, in Europa zu Hause_PL

Dominika in Polen, Anfang 90er

Endlich absolutes Freiheitsgefühl

Als Polen dann im Mai 2004 EU-Mitglied wurde, war ich überglücklich! Ich wollte mich nicht mehr als Weltbürger 2. Klasse fühlen, sondern von allen Möglichkeiten, die die Welt bietet, profitieren. Ich wollte unbeschränkt reisen und arbeiten können, neue Kulturen, Länder und Sprachen kennen lernen und Freunde auf der ganzen Welt finden! Mein Ziel erreichte ich relativ schnell: Ich war 24 und mit einem Uni-Abschluss in der Hand als ich im Juni 2004 für ein 1-jähriges Praktikum nach Lugano fuhr. Damals konnte ich nicht einfach so in die Schweiz einreisen sondern ich brauchte bestimmte Unterlagen und ein Arbeitsvisum. All das war dank des EU-Programms “Leonardo da Vinci” möglich. Ich durfte dort arbeiten und gleichzeitig die Sprache lernen. Zum Schluss konnte ich sogar meine Anstellung um ein halbes Jahr verlängern.

In Polen geboren, in Deutschland wohnen, in Europa zu Hause_Lugano

Dominika in der Schweiz, Lugano, 2005

Weitere Einschränkungen

Als mein damaliger Freund und heutiger Mann mich fragte, ob ich mit ihm nach Hamburg umziehen würde, überlegte ich nicht mal 2 Minuten: Endlich konnte ich meinen Traum von Freiheit weiter leben (mein Visum in der Schweiz wäre bald abgelaufen)! So einfach war es aber 2006 noch gar nicht! Mein Freund musste ein Dokument unterschreiben, dass er im Fall der Fälle für mich haften würde. Ich musste eine Freizügigkeitsbescheinigung bekommen, sowie viele andere Unterlagen. Auch arbeitstechnisch hatte ich damals noch viele Einschränkungen und musste beweisen, dass es keinen anderen deutschen Arbeitnehmer für die angestrebte Position gibt. Alles echt nicht so nice und richtig kompliziert.

In Polen geboren, in Deutschland wohnen, in Europa zu Hause_Hamburg

Dominika in Deutschland, Hamburg, 2007

Große EU-Liebe

Aber langsam kapierte ich wirklich, was es bedeutet in der EU zu leben und ein Mitglied der Union zu sein, denn mit der Zeit gab es immer weniger Unterschiede und inzwischen haben wir genau die selben Rechte, wie alle andere EU-Staaten.

Was bedeutet es jetzt für mich, meine Freiheiten leben und nutzen zu dürfen?

Weil ich mich an die anderen Zeiten erinnern kann, ist mir diese geschenkte Freiheit immer noch nicht selbstverständlich. Jeden Tag bin ich dankbar dafür, dass ich mich innerhalb Europas frei bewegen und problemlos aufhalten kann. Diese Freiheit hat mir nicht nur eine binationale Ehe und zwei wunderbare zweisprachige Kinder geschenkt, sondern auch das Gefühlt gegeben, selbstbestimmt leben zu können. Klar, man ist immer verpflichtet, irgendwas zu machen, wir leben schließlich alle ein bisschen in einem Hamsterrad. Aber es sind nicht nur “fremde” Mächte, die mein Rad drehen, sondern ich bestimme die Geschwindigkeit und sogar die Richtung des Drehs.

Und wenn man die EU mit einer Familie vergleichen kann, die sozusagen eine Großfamilie mit inzwischen 28 Kindern ist, dann ist es selbstverständlich, dass alle Kinder etwas unterschiedlich sind und vielleicht teilweise andere Bedürfnisse und Erwartungen haben. Aber das Leben in einer Großfamilie ist bunt, lustig, aufregend und es wird nie langweilig! Wenn ich mir die Weltkarte anschaue und selbst die Flächen der verschiedenen Ländern vergleiche, merke ich, wie klein unsere EU im Vergleich mit anderen Regionen ist. Klein, aber enorm vielfältig und spannend in ihren Unterschiedlichkeiten. Wie viele Sprachen, Dialekte, Traditionen gibt es auf diesem feinen Fleck der Erdkugel! Und ich darf sie alle bereisen, entdecken, lieb gewinnen und meine Spuren dort hinterlassen. Das macht mich stolz, glücklich und einfach selbstbewusster.

In Polen geboren, in Deutschland zu Hause, im Herzen Europäerin

Eine besondere Schwäche habe ich noch: Immer wenn ich Ode an die Freude höre, egal in welcher Sprache, muss ich ein bisschen weinen! Immer wenn ich dieses Lied höre, bin ich zu tiefst berührt! Einerseits wegen der EU-Hymne, anderseits weil die Musik und deren Botschaft einfach so schön ist!

Achtung, jetzt wird es pathetisch, aber sehr ehrlich: Danke, liebe Europa, dass Du mein Zuhause bist!