Ein Leben ohne Auto… In Hamburg, Warschau oder München eigentlich nichts Besonderes. In Frankfurt und Umgebung doch eher ganz schön verrückt!

Auch in den anderen Städten, in denen ich gelebt hatte, wurde ich öfters gefragt, warum ich kein Auto besitze. Aber erst in Frankfurt scheint diese Frage lebenswichtig zu sein. Wenn ich antworte, dass ich kein Auto brauche, werde ich oft angeguckt, als ob ich eine Mormonin bin oder jemand, mit dem man nicht über Facebook- oder Whatsapp-Gruppe kommunizieren kann.

Also, ich habe kein Auto und es fühlt sich ok an. Nein, es ist nicht immer wunderbar, manchmal wäre das Leben viel einfacher mit einem Wagen, aber man kann ohne Auto auch überleben. Selbst in einer kleinen Gemeinde 8 Km von Frankfurt entfernt. Immer wieder fällt es mir aber auf, wie wichtig so ein Auto für viele Menschen ist und wie stark sie sich damit identifizieren.

Leben ohne Auto in einer Kleinstadt

Ich und mein Mann fragten uns nach dem Umzug von München, ob wir doch nicht ein Auto brauchen würden. Denn wir wohnen jetzt nicht mehr in einer Großstadt, sondern in einer 30.000 kleinen Gemeinde im Rhein-Main-Gebiet. Einkaufen gehen, Kinder in die Betreuung bringen und abholen, Freunde besuchen oder Amtstermine wahrnehmen – all das müssen wir zu Fuß oder mit öffentlichen Verkehrsmitteln erledigen. Zusätzlich, wie ich es schon in meinem Beitrag über die Unterschiede zwischen Bayern und Hessen beschrieben habe, gibt es hier in der Region viele kleine Städte, die eine hohe Bedeutung für das Gebiet haben. Und sie sind nicht so leicht ohne Auto erreichbar. Eigentlich ist die Verbindung oft ganz ok, aber z.B. mit der S-Bahn und 2 Mal umsteigen bräuchte ich ca. 1,5 Stunden für eine Strecke, die ich mit dem Auto in ca. 20 Minuten zurücklegen würde. Letztendlich haben wir uns gegen ein Auto entschieden und zwar aus folgenden Gründen:

Warum wir uns gegen ein Auto entschieden haben

1. Geld

Für viele Menschen scheint Geld überhaupt kein Argument zu sein und sie versuchen mich zu überzeugen, dass ich mir einen kleinen, alten Flitzer für 1.000€ anschaffen soll. Ich möchte aber meine Kinder nicht in einem Schrottwagen fahren, der jederzeit kaputt gehen kann. Für alle, die eigentlich schon immer ein Auto hatten, sind die Unterhaltungskosten nicht mehr ganz so offensichtlich. Für uns aber als Einsteiger, kommt eine große Summe zusammen, die wir auf einmal ausgeben müssten. Also finanziell gesehen ist es für uns das Haupt-Gegenargument.

2. Öffentliche Verkehrsmittel

In den anfangs erwähnten Großstädten war die Anbindung des ÖPNV einfach super: zuverlässig, pünktlich und gut vernetzt. Das kann ich leider nicht über meine Gemeinde sagen, in der die Busse alle 30 Minuten fahren und leider sehr unpünktlich sind. Das ist natürlich Schade, denn mein Argument mit der Zuverlässigkeit der öffentlichen Verkehrsmittel trifft hier nicht ganz zu. Nichtsdestotrotz bin ich oft auf diese Verbindungen angewiesen und muss es so hinnehmen, wie es ist. Und so kam es schon öfters vor, das sich an einer Bushaltestelle stand und geflucht und aus Wut getobt habe und mir damals nichts mehr als einen alten Schrottwagen gewünscht hätte!

3. Fahrrad

Mein altes, gebrauchtes Fahrrad war eine meiner ersten Anschaffungen in Deutschland. So viele Fahrradwege hatten wir damals (ca. 2005) in Polen noch nicht und ich genoss es sehr, in Hamburg von Winterhude durch Eppendorf Richtung Eimsbüttel zur Arbeit zu radeln. Auch in München war mein Fahrrad mein Held des Alltags, meine gute Laune-Garantie und mein Freiheitsgefühl! Wenn ich in Hessen meinen Sohn mit dem Fahrrad in den Kindergarten hinbringe, habe ich sofort viel Energie und bin total im Schwung.

Auch ein Familienausflug auf den Zweirädern ist etwas ganz besonderes und schweißt einfach sehr zusammen.

Leben ohne Auto_Fahrrad

4. Einkaufstrolley

Viele fragen uns, wie wir es schaffen, einkaufen zu gehen. Wenn ich nur ein paar Sachen brauche, fahre ich zum Einkaufen mit dem Fahrrad. Wenn es aber ein großer Einkauf sein soll, nehmen wir unseren Einkaufstrolley mit. Ja, ich weiß, der ist total unsexy und oldschool, wir können aber hier viele schwere Sachen einpacken. Es funktioniert!

5. Mietwagen

Da ich abenteuerlustig bin und total gerne neue Ort entdecke, möchte ich am Wochenende viel mit meiner Familie unternehmen. In Hamburg und in München war das ehrlich gesagt viel einfacher, weil wir zentraler wohnten und relativ schnell im Zentrum waren, wovon wir weitere Ausflugsziele erreichen konnten.

Falls wir Lust haben, eine neue Location oder eine neue Stadt zu entdecken, mieten wir uns einen Wagen fürs Wochenende. Damit sind die selbst weit entfernten Ziele auf einmal ganz nah! Und das genießen wir dann so, als wären wir im Urlaub!

6. Autofahren

Der größte Nachteil für mich ist, dass ich nie Auto fahre und total aus der Übung bin. Ich habe zwar einen Führerschein, bin aber schon seit Ewigkeiten nicht mehr selber gefahren. Meine Unsicherheit hinter dem Steuerrad ist sogar so groß, dass ich mich gar nicht trauen würde, Auto zu fahren, ohne dass ich davor noch einmal ein paar Fahrstunden nehme.

Und das ist ein wahres Handicap! Doch ich denke nach einer kurzen Eingewöhnungszeit kommt die Sicherheit wieder zurück, oder? Das nehme ich mir für die nächsten Monate fest vor!

7. Umwelt und Klimaschutz

Zugegeben, die Umwelt zu schonen zählte bei uns nie als Hauptargument gegen einen Pkw. Nichtsdestotrotz tut es gut zu wissen, dass wir uns klimaschonend bewegen und somit unseren Beitrag zum Umweltschutz leisten.

Mein Fazit: Heutzutage kein Auto zu haben, bedeutet ein Outsider zu sein, vor allem, wenn man in einer Kleinstadt lebt. Man wird sofort als umständlich und unflexibel abgestempelt, auch wenn ein bisschen Bewunderung oder sogar Misstrauen dabei ist. Der Bus- und S-Bahn-Plan wird zum besten Freund oder zum größten Feind – je nach dem. Außerdem versuchen Menschen, die bereits ein Auto haben, ständig Pro-Argumente aufzubringen und ermutigen einen, wieder mobiler zu werden.

Ein Pkw ist manchmal eine Notwendigkeit, manchmal aber auch nur eine Möglichkeit.

Leben ohne Auto

Fotos: göttlicher fotografieren.