Wie eine kleine russische Oase die Infrastruktur der Olympischen Spiele 1972 aufgehalten hat
Es gibt einen Ort in München, der leise und ruhig die schnell vorbeilaufende Welt beobachtet. Hier gibt es keine grellen Lichter, keine laute Musik, keine teuren Eintrittskarten. Hier kann man die Magie spüren, die Wahrheit “anfassen” und von einer Liebesgeschichte berührt werden und außerdem den ältesten Münchner überhaupt “kennenlernen”!
Es geht um die Ost-West-Friedenskirche im Olympiapark, die von dem russischen Eremiten Timofej und seiner Lebensgefährtin Natascha gebaut wurde. Die beiden haben sich in Wien kennengelernt, wo sie nach dem Kriegssturm gelandet sind. Ein paar Jahre zuvor hat Timofej einen Traum gehabt, in dem er die Gottesmutter Maria gesehen hat. Sie hat ihn beauftragt eine Kirche im Westen zu bauen, welche beide christlichen Traditionen verbindet und Liebe und Frieden als Botschaft vermittelt.
In der Hauptstadt Österreichs ist das Projekt wegen bürokratischer Hindernisse nicht zustande gekommen. Daraufhin haben sich Timofej und Natascha im Jahre 1952 entschieden nach München zu ziehen. Hier konnten sie ein Stück Land im Oberwiesenfeld finden – es ist ein Gelände im nördlichen Teil des Olympiaparks, auf dem sich früher ein Flughafen befand. An dieser Stelle haben sie sich niedergelassen und im Stillen angefangen die Kirche der Versöhnung aller Christen zu erbauen. Ohne Hilfe von Architekten und Baumeistern haben sie das Baumaterial, Schutt, Bretter und Blech mit Rucksack und Schubkarre vom damaligen Münchner Schuttberg mühsam transportiert. Am Anfang wohnten die Beiden in einem kleinen Haus aus Karton und bauten gleichzeitig ihre “Basilika”. Nach und nach sind dort auch ein kleines Haus und eine winzige Kapelle entstanden. Die Münchner Bürger haben begonnen diesen Ort zu besuchen und brachten Heiligenbilder als Geschenke mit; damit sind alle Räume ausgestattet worden.
Timofej und Natascha haben sich hauptsächlich vom Anbau aus ihrem eigenen Garten ernährt, der die Kirche umgab. Manchmal konnten sie auch Honig, Obst und Gemüse verkaufen, was ihnen ein bescheidenes Leben ermöglichte.
Obwohl Timofej öfter ein Problem mit den Behörden bekam und mehrmals ins Gefängnis musste, haben die Beamten bei diesen Aktionen stets beide Augen zugedrückt. Zu guter Letzt erhielten Timofej und Natascha jedoch alle nötigen Dokumente, die sie zu Münchner Bürgern machten.
Der nächste Schock kam Ende der Sechziger Jahre – 1972 fanden in München die Olympischen Spiele statt und zwar auf dem Oberwiesenfeld. Dort, wo jetzt die Kirche steht, sollte das Dressurreiten stattfinden. Die massiven Proteste der Münchner Bürger haben die Behörden überzeugt die architektonischen Pläne zu ändern um diese kleine russische Enklave zu bewahren. Das konnte nur in München passieren!
1972 haben auch Timofej und Natascha geheiratet. Natascha ist fünf Jahre später im Alter von 80 Jahren verstorben. Timofej hat während der nächsten 30 Jahre seinen Garten und die Bienen gepflegt, die tägliche Liturgie gehalten und ist ein wenig herumgereist. Er ist 2004 im Alter von 110 Jahren gestorben, was ihn zum ältesten Münchner ever macht!
Heute kann man diese außergewöhnliche Oase, die Kirche, die Kapelle und ein kleines Museum besichtigen. Das Haus, in dem Natascha und Timofej gewohnt haben, wird jetzt durch eine Stiftung genutzt, welche die Kirche unterhält und das Andenken an das außergewöhnliche Paar pflegt. Diese Einrichtung befindet sich neben dem Gelände auf dem auch das Sommerfestival Tollwood stattfindet. Es lohnt sich, diesen Ort mit Kindern zu besichtigen – hier ist alles anders als sonst irgendwo. Das ist wirklich ein Ort der Ruhe und Zeitzeuge einer eindrücklichen Geschichte. Glaubensstärke und Selbstlosigkeit kann man auch heute dort noch wahrnehmen.
Die Kirche und die Kapelle hinterlassen einen großen Eindruck – der Boden ist bis zur Decke mit Heiligenbildern von Maria und Jesus bedeckt. Die Decke wurde angeblich mit Schokoladen-Silberpapier tapeziert. Die ganze Kirche ist liebevoll geschmückt mit vielen Kleinigkeiten, gewebten Teppichen und Blumen aus Kunststoff, das ist wirklich rührend! Im Museum kann man viele Fotos und interessante Zeitungsartikel finden, welche uns die einzelnen Etappen des Baus und den Alltag von Timofej und Natascha nähern bringen. Für die Kinder gibt es einen kleinen Raum, in dem bunte Stifte und Papier zur Verfügung stehen. Die Ausstellung „Kinder zeichnen für den Frieden“ ist in der Ost-West-Friedenskirche wahrhaftig am richtigen Ort.
80809 München
www.ost-west-friedenskirche.de
Geöffnet (fast) täglich zwischen 11:00 – 17:00
Tel. 0177-876 67 01
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