Bis jetzt haben wir viel über Bilingual Kids und die zweisprachige Erziehung aus der Perspektive der Eltern erzählt. In diesem Artikel habe ich ein paar Fragen an „ehemalige bilingual Kids“ gestellt – also zweisprachige Erwachsene, die mal Kinder waren 😉 Denn das Thema ist so vielfältig, wie das Leben! Und ich möchte wissen, wie es ist als zweisprachige Person aufzuwachsen, damit ich mir das für meine Kinder besser vorstellen kann.

Polnisch – Deutsch

Jessica, Prime Ballerina Jessica habe ich übers Internet kennengelernt. Ihr Blog primeballerina’s books hat mich sofort angesprochen, denn sie verbindet hier ihre zwei großen Leidenschaften: Tanz und Bücher. Sie schreibt nicht nur Buchrezensionen, sondern teilt auch ihre Liebe zur Literatur! Und wie sie selber betont: sie liest in drei verschiedenen Sprachen.

Warum drei verschiedene Sprachen? Jessica war gerade mal ein Jahr alt, als sie aus Polen nach Deutschland kam. Beide Eltern sind Polen und kommunizierten mit ihr immer in Polnisch, unter anderem weil sie damals selbst noch nicht so gut deutsch sprachen. Ihr erster Kontakt mit der deutschen Sprache war tatsächlich erst im Kindergarten. „Dass ich anders spreche, als die anderen Kinder, habe ich tatsächlich nie bewusst wahrgenommen – auch der Wechsel zwischen polnischer und deutscher Sprache zwischen Eltern und Kindergarten ist mir nie bewusst aufgefallen. Es war halt einfach so“ – ergänzt Jessica. Erst später bemerkte sie, dass die anderen Kinder es nicht verstanden, wenn sie auf Polnisch mit ihren Eltern sprach – aber ein Problem war das für sie nie.

Als Jessicas bereits 9 Jahre alt war, kam ihr Bruder auf die Welt. Ihre Eltern wollten das mit der Sprach dann genau so handhaben wie damals bei ihr. Bis kurz bevor der Bruder in den Kindergarten kam, sprach die ganze Familie ausschließlich Polnisch mit ihm. Erst später kommunizierte Jessica mit ihm Zuhause auf Deutsch, z. B. beim Vorlesen. Auf diese Art brachte sie ihm die wichtigsten Wörter in Deutsch bei.

Jessica in Polen

Jessica in Polen

Jessica betont, dass für sie Bilingualität nur Vorteile mitbringt. „Da alle meinen Verwandten aus Polen kommen, finden sie es immer klasse, dass sie mit mir und meinem Bruder so problemlos kommunizieren können. Auch von vielen Freunden und Bekannten meiner Eltern und Großeltern in Polen habe ich immer nur Komplimente dafür bekommen, dass ich so gut Polnisch spreche und dass sie sich mit mir unterhalten können“. Sie erinnert sich auch an den alljährlichen Urlaub in Polen  und an gemeinsames Spielen mit den vielen anderen Kindern, was ihr bestimmt dabei half, die Sprache zu verbessern.

Auch heutzutage beneiden viele Freunde Jessica um ihre Bilingualität, denn durch die Zweisprachigkeit fiel es Jessica leichter, neue Sprachen zu lernen. Und sie hört immer wieder den altbekannten Satz von deutschen Bekannten: “Sag mal was auf Polnisch!” 😉

Jessica im Sommer in Polen

Jessica in Polen

Was ist der Grund, das Jessicas Bilingualität so erfolgreich ist? „Es gibt etwas, was ich früher als Kind gehasst habe, wofür ich meinen Eltern aber im Nachhinein sehr dankbar bin: 30 km von unserem Wohnort entfernt gab es immer einmal im Monat einen polnischen Gottesdienst. Und irgendwann haben sich einige Eltern zusammengeschlossen und so gab es jeden zweiten Samstag Unterricht für polnische Kinder. Kinder wie mich, die zweisprachig aufwuchsen. In dieser Gruppe lernte Jessica durch gemeinsames Spielen, Singen und Geschichten das polnische Alphabet, die polnischen Buchstaben und Polnisch zu.

Sie gibt ehrlich zu: „Ich mochte diesen Unterricht damals nicht – und zwar nur, weil es für mich bedeutete, an einem Samstag früh aufstehen und zusätzlich zur Schule gehen zu müssen. Aber heute bin ich sehr froh darüber, dass meine Eltern mich dazu “gezwungen” haben, denn dadurch habe ich vor allem gelernt, auf Polnisch zu lesen. Weil ich viel auf Polnisch gelesen habe, habe ich wie von selbst gelernt, auch auf Polnisch zu schreiben – polnisch sprechen und polnisch schreiben zu können ist nämlich keinesfalls das Gleiche, man muss beides separat lernen“.

Jessica blickt optimistisch in die Zukunft: „Für mich ist es völlig selbstverständlich, dass ich – wenn ich mal Kinder bekommen sollte – ihnen auf jeden Fall auch die polnische Sprache beibringen möchte, ganz egal, welche Sprache(n) der Vater der Kinder spricht. Nicht nur sollen sie mit ihren Großeltern sprechen können; sie sollen es auch einfacher haben, später weitere Sprachen lernen zu können – ich denke, dass Sprachen nämlich immer wichtiger werden und dass es sich auf jeden Fall lohnt, so viele verschiedene Sprachen wie möglich zu beherrschen, und wenn es nur die Grundkenntnisse sind“.

Zu den wichtigsten Argumenten bei der zweisprachigen Erziehung gehören für sie das Vorlesen in der Muttersprache, die absolute Konsequenz der Eltern (also auch in der Öffentlichkeit polnisch zu sprechen), sowie die Möglichkeit, Videos und Fernsehen in der Muttersprache zu sehen.

Deutsch – Spanisch

Melanie, Isar-MamiMelanie kennen bestimmt viele von Euch, die in München und Umgebung leben. Denn Melanie ist die liebe Isar-Mami, die auf ihrem informativen und bunten Blog viele wertvolle Tipps für uns Eltern sammelt.

Melanies Mutter wuchs damals in Bolivien auf und hat mit ihren vier Kindern nur Spanisch gesprochen. Melanie ist Deutsche, doch spricht und schreibt sie perfekt Spanisch. Auch Melanie spricht mit ihren beiden Söhnen ausschließlich auf Spanisch.

Melanies Mutter war alleinerziehend. Dass sie mit den Kindern von Geburt an Spanisch sprach, war für unsere Bloggerin überhaupt kein Problem. Bis zum Kindergarten hat Melanie fast ausschließlich Spanisch gesprochen, doch als sie in die Schule kam sprach sie genauso gut Deutsch wie alle anderen Kinder.

Die Tatsache, dass sie Spanisch sprach, sah Melanie tatsächlich als etwas Besonderes an. Sie war meist die einzige im Freundeskreis, die Spanisch sprechen konnte. Mit ihren Freunden und auch mit den eigenen Geschwistern unterhielt sie sich meist auf Deutsch, doch sobald ihre Mutter nach Hause kam, sprachen sie alle automatisch Spanisch. Es war ein Automatismus, der wunderbar funktionierte. Jetzt bemerkt Melanie das gleiche bei ihrem Sohn Felix (4).

Melanie

Die  Herausforderung bei der bilingualen Erziehung ist es, immer am Ball zu bleiben. Man muss immer wieder alles wiederholen, doch diese Geduld trägt schon jetzt Früchte. Dadurch, dass die Kinder in Deutschland leben und in deutsche Kindergärten gehen, ist ihre Hauptsprache natürlich Deutsch. Das wird und möchte Melanie gar nicht ändern. Desto wichtiger ist es, dass sie standhaft bleibt. Dies ist allerdings nur in den ersten Monaten der Sprachentwicklung etwas schwieriger, danach läuft alles von ganz alleine. Wenn ihr Sohn mit ihr und dem Papi spricht, wechselt er automatisch zwischen den Sprachen hin und her. Für Melanie ist es faszinierend das zu beobachten.

Generell ist Felix in der sprachlichen Entwicklung sehr weit, was sicherlich auch eine Folge der Zweisprachigkeit ist. Anderen Kindern, die nicht zweisprachig aufgewachsen sind, fällt es oft schwer zu glauben, dass Felix alles auf Spanisch sprechen und verstehen kann. Melanie muss immer dazu sagen: “Wenn ich doch von Geburt an mit ihm ausschließlich Spanisch spreche, wieso sollte er es dann nicht können? Er hat ja Deutsch auf dieselbe Art und Weise gelernt!”.

Ein weiterer Vorteil ist, dass Melanies Mann ebenfalls die Sprache perfekt versteht. Dadurch dass sie mit beiden Kindern von Geburt an nur Spanisch spricht, hat er jedes Wort und jeden Satz mitgelernt. Er kann sich auch wunderbar im Spanischen verständlich machen, obgleich auch nicht perfekt.

Felix` Opa ist Türke. Er spricht mit den Kindern ebenfalls nur türkisch. Anders als Melanie, akzeptiert er jedoch deutsche Antworten. Dadurch dass der “Dede” (türkisch: Opa) nicht so oft da ist, spricht Felix kein türkisch aber er versteht immer hin alles. Eventuell wird sich das aber auch mit den Jahren noch ändern, wenn er merkt welche Vorteile ihm auch die türkische Sprache in Deutschland bringt.

Melanie in Südamerika

Melanie in Südamerika

Welche persönlichen Tipps gibt Melanie der bilingualen Familien mit auf den Weg?

Auch Melanie ist hier geboren und aufgewachsen, möchte es aber nicht missen, Spanisch zu sprechen. Sie findet es traurig, wenn Personen die in anderen Ländern aufgewachsen sind, nicht mit ihren Kindern in der Muttersprache sprechen. Die Kinder werfen einem das sicherlich irgendwann vor.

Ihrer Meinung nach ist es wesentlich besser mit den Kindern perfekt in der Muttersprache zu sprechen, als in gebrochenem Deutsch. Da wir in Deutschland leben und die Kinder in deutsche Kindergärten und Schulen gehen, gemeinsam mit anderen deutschsprachigen Kindern, lernen sie die Sprache “Deutsch” sowieso.

 

Auch sollten sie direkt AB DER GEBURT in der Muttersprache sprechen und nicht erst Wochen oder gar Monate später. Möglicherweise ist es in den ersten zwei oder drei Tagen etwas gewöhnungsbedürftig, da man mit dem Partner evtl. nur Deutsch spricht, doch kann man es sich sehr schnell nicht mehr anders vorstellen. Bei Melanie‘s Familie funktioniert es prima!

Melanie in Boliwien

Melanie in Südamerika

Melanie ist ebenfalls der Meinung, dass man mit den Kindern IMMER und ÜBERALL in der Muttersprache sprechen sollte. Sie macht auch keine Ausnahme, wenn Freunde oder Bekannte mit dabei sind. Sie übersetzt ihnen lieber im Nachhinein was sie zu ihren Kindern gesagt hat. Sie hat einmal mit Felix auf Deutsch geredet um zu sehen wie er reagiert. Sein Gesichtsausdruck war reine “Verwirrung” und da wusste sie, dass sie alles richtig macht!

Und wenn sie ein Wort nicht kennt? Dafür hat sie ihre PONS-App (Wörterbuch). Sie tippt es schnell ein und kann ihrem Sohn direkt das korrekte spanische Wort dafür sagen.

Entscheidend bei der Zweisprachigkeit findet Melanie Vorlesen in der Muttersprache, gemeinsames Spielen in der Muttersprache, Konsequenz, den Kontakt zu Gleichaltrigen, die die selbe Sprache, wie die eigenen Kinder sprechen, Singen / Musik und Videos und Fernsehen in der Muttersprache.

Deutsch – Italienisch

Laura

Laura ist eine junge Frau, die gerade ihre Ausbildung als Erzieherin im Kindergarten zum Ende bringt. Sie arbeitet in dem Kindergarten, in dem meine Kinder betreut werden und dadurch konnte ich nicht nur ihre einfühlsame Art bewundern sondern auch das Wechseln zwischen den beiden Sprachen, denn Lauras Mutter ist Deutsche und ihr Vater Italiener.

Lauras Mama sprach mit ihr immer deutsch, während ihr Papa mit Laura fast ausschließlich italienisch gesprochen hat. Bei der Familie hat sich also die OPOL-Methode bewährt. Während des Abendessens haben sie aber meist in der deutschen Sprache kommuniziert.

Was für die Sprachentwicklung wichtig war, ist die Tatsache, dass ihre Familie viermal im Jahr in Italien war, wo Laura mit gleichaltrigen Kindern spielte und so die Sprache einfacher lernte.

Laura in Italien

Laura in Italien

Ein großer Vorteil bilingual aufzuwachsen ist laut Laura, dass es später einfacher ist, weitere Sprachen zu lernen. Schwierigkeiten bzw. Probleme gab es für sie keine, da sie die Sprachen ziemlich gut unterscheiden konnte und wusste mit welcher Person sie in welcher Sprache reden musste.

Die wichtigen Voraussetzungen bei der bilingualen Erziehung sind für Laura: gemeinsames Spielen in der Muttersprache, Konsequenz, Kontakt zu Gleichaltrigen, die dieselbe Sprache sprechen und Kontakt zu der Familie im Heimatsland.

Liebe Jessica, liebe Melanie, liebe Laura, vielen Dank für Eure tollen Interviews und interessanten Ansichten! Ich bin jetzt dank Euren Tipps sehr motiviert, weiter zu machen! 🙂

Dziękuję, muchas gracias, grazie mille und danke schön!