Heute darf ich Euch einen interessanten Gastbeitrag von Tanja Misiak vorstellen, die aus der Perspektive einer Zuagroasten die schöne bayerische Tradition des Maibaumaufstellens betrachtet. Tanja kennt Ihr bereits von ihrem Interview in der “Mama Start-Up” Serie und als Initiatorin der inspirierenden Initiative für Eltern in der Elternzeit “elterngarten“. Viel Spaß beim Lesen!

Auswanderung nach Baierbrunn

Vor vier Jahren sind wir als junge Familie mit unserem damals 10 Monate alten Bub aus Nordrhein-Westfalen zielgerichtet direkt nach Baierbrunn gezogen. Mein Mann kommt ursprünglich aus Polen und ist erst fürs Studium nach Deutschland gekommen. Er sagte mir fairerweise vor unserer Hochzeit, dass er gerne nach Bayern ziehen möchte – wenn er schon in Deutschland bleiben wird. Seine Logik dabei war, dass Bayern „klimatisch und kulinarisch“ seinem Heimatland am nächsten sei.
Für mich brauchte er keine Überredungskünste einzusetzen, ich war schon als Kind immer mit meiner Familie in den Bergen – im Sommer wie im Winter – und ich hatte mit Bayern durchgehend positive Assoziationen. Ich liebe die Berge und das Alpenvorland, die vielen Seen und Freizeitmöglichkeiten. So suchten wir auf unserem Sofa in Bonn im Internet nach schönen Gemeinden „irgendwo zwischen München und den Bergen“.
Im Juni 2012 „wanderten“ wir dann nach Baierbrunn aus und können uns aktuell keinen schöneren Wohnort für unsere mittlerweile vier-köpfige Familie vorstellen! Es ist perfekt: mit der S7 27 Minuten zum Hauptbahnhof München und gleichzeitig sehr viel Grün, der Forstenrieder Park und das Isar-Hochufer zum wandern und joggen direkt neben uns, ein Katzensprung zu den Seen und den Bergen. Die Integration in die Gemeinde wird einem als junge Familie sehr einfach gemacht dank der zahlreichen Vereine mit vielfältigem Angebot für die Kinder, den Kindergärten und den „typischen Orten“, an denen man sich mit den Kids eben trifft.
Nur eine kleine Enttäuschung gab es, als wir hier „gelandet“ waren: Auf dem Maibaum stand „2011“! Wir hatten das Maibaum-Aufstellen also gerade verpasst und das nächste Aufstellen war für uns damals noch so lange hin!

Tradition wird erlebbar

Doch dieses Jahr ist es soweit. Wir erleben zum ersten Mal eine Maimusi und können damit so richtig in die bayerische Tradition eintauchen und Baierbrunn noch mal mit neuen Facetten kennenlernen. So wird es dieses Jahr übrigens vielen „Zuagroasten“ in Baierbrunn gehen, denn Baierbrunn ist in den letzten fünf Jahren rasant gewachsen. Über 500 Neubürger hat das kleine Dorf zu verzeichnen, darunter die meisten mit kleinen Kindern oder immer noch mitten in der Phase der Familiengründung. So wird dieses Fest nun auch ein Fest der Begegnung, denn viele Zuagroaste kommen nicht aus Bayern oder zumindest nicht aus Baierbrunn und erleben so wie wir die erste Maimusi ihres Lebens.
Maimusi Baierbrunn Maibauaufstellen
Und ich bin wirklich begeistert davon, wie detailliert und vielfältig die Tradition hier von Maimusi zu Maimusi weitergegeben wird. Die Madln und Buam der Maimusi 2016 sind traditionsgemäß junge unverheiratete Baierbrunnerinnen und Baierbrunner, die schon seit Monaten einen großen Teil ihrer Freizeit in die Vorbereitungen dieser Festwoche stecken. Bereits seit letztem Jahr „nach den Wiesn“ finden die Tanzproben statt, seit März sogar zweimal wöchentlich.

 Die Wachhüttn

Maimusi Baierbrunn MaibauaufstellenDer neue Maibaum wurde bereits am Faschingsdienstag im Februar zu seiner Wachhüttn transportiert. Dort wurde er gehobelt, geschliffen, angestrichen und vor allem: bewacht! Denn die Nachbargemeinden sind auf der Pirsch. Und wenn ein Maibaum erst einmal gestohlen ist, steht ein schmachvoller Prozess der Zurückeroberung bevor. Jeder Bursch hält bis zum 01.05. ca. 10-15 Wachen. Zum Glück liegen die Wachen aber nicht bei den Buam alleine, sie werden unterstützt von vorangegangenen Maimusi-Generationen, Vereinen und anderen Zusammenschlüssen der Gemeinde. So ist die Wachhüttn schon seit Wochen ein toller Treffpunkt für alle bekannten und unbekannten Gesichter der Gemeinde. Die letzte Wache am 30.04. müssen die Madln übernehmen, damit ihre Burschen für das Aufstellen am 01.05. genug Kraft haben. Denn: Baierbrunn ist eines der letzten Dörfer, die dies nach altem Brauch mit Scherstangen bewerkstelligen – ohne Hilfe eines Krans!
Maimusi Baierbrunn

Tanja mit Franz Thalhammer – er war 1975 bei den Burschen dabei, die den Schäftlarnern das Stangerl geklaut haben

Vorgestern Abend hatte ich die Wachhüttn abends besucht und das Baierbrunner Urgestein, der Ketterl Franz, erzählte meinen zuagroasten Nachbarinnen und mir die Geschichte, wie er damals im Jahr 1975 mit 30 Burschen den Schäftlarnern nachts den Baum von deren Wachhüttn geklaut hatten. Sie klauten ihn den betrunkenen Wachen in Schäftlarn und fuhren ihn in einer eiskalten Aprilnacht quer durch den Forstenrieder Park nach Baierbrunn. Sie waren um 7 morgens an unserem Dorfplatz angekommen. Die Schadenfreude war riesig. Die Schäftlarner mussten sich dann ihren Baum zurück ersteigern. Seit dem hatten es die Gemeinden aber nicht mehr geschafft, es gab nur noch Versuche. Von der Geschichte vor über 40 Jahren zehrt Baierbrunn aber weiterhin. Immer wieder wird sie mit Stolz und Freude erzählt.

Organisation der Maimusi

Maimusi Baierbrunn Maibauaufstellen
Zurück zur lebenden Tradition von heute. Vor über einem Jahr wurden bereits die drei Ehrenpaare dieser Maimusi gewählt: Der Kranzljunker und seine Kranzljungfrau, der Hochzeiter und seine Hochzeiterin, die Ehrmutter und der Ehrvater. Die Tradition schreibt den Ehrenpaaren ihre klaren Verantwortungsbereiche vor. So organisiert der Kranzljunker beispielsweise die sehr wichtige Maibaumwache. Weitere Aufgaben der Ehrenpaare sind weitreichend: Tanzproben organisieren, die vielfältigen Veranstaltungen für die Festwoche organisieren, das aufwendige Schmücken des Maibaums, die Organisation der Versteigerung des alten Maibaums, das Sammeln von Spenden… und auch noch nach der Festwoche kümmern sich Kranzljunker und Kranzljungfrau um die weiß-blaue Fahne am Maibaum und es wird auch noch eine Nachfeier für die Maimusi und alle Helfer organisiert.
Wenn man heute nicht an den Scherstangen stand, hatte man in der Zeit während der Aufstellung viel Zeit sich zu unterhalten. Und so ergriff ich eben die Gelegenheit, um mit ein paar Burschn und Madln zu sprechen, die bei dieser Maimusi mitgemacht haben. 72 waren es dieses Jahr, die Madln im Durchschnittsalter von ca. 18/19, die Burschen etwas älter. Marie Köstner und Theresa Wilhelms, beide 16, waren dieses Jahr das erste Mal dabei und haben mich an ihrer Begeisterung teilhaben lassen. Sie sind heute Morgen um 3 aufgestanden, um den Transport des Baums zum Dorfzentrum vorzubereiten. Andere Madln haben an der Wachhüttn ganz durchgemacht.
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Der Hochzeiter Thomas Händl, die zwei Madln Marie Köstner und Theresa Wilhelms, das Baierbrunner Urgestein Bernhard Ketterl.
Die Buam hatten seit gestern 23 Uhr Zapfenstreich, damit sie heute fit sind. In der Früh um 7 haben sie den Baum bereits mit dem Traktor zum Zentrum transportiert. Der diesjährige Hochzeiter Thomas Händl hat diese Saison seine kompletten Semesterferien investiert. Er hatte bereits die letzte Maimusi mitgemacht und konnte schon erahnen wie viel Aufwand das sein wird. Die drei erzählten mir auch von den intensiven Tanzproben, die vom Ketterl Franz geleitet wurden und teilten die Begeisterung über neue Freundschaften durch die Maimusi und neue Geschichten, die nun für immer Teil von ihnen und Baierbrunn sein werden.

Fazit

Maimusi Baierbrunn Maibauaufstellen
Es erfordert viel Elan und Zusammenhalt solche eine aufwendige Maimusi mitzugestalten. Hier wird die echte bayerische Tradition in ihrer schönsten Form am Leben erhalten und nicht nur den jungen Generationen der Einheimischen weitergegeben, sondern auch für uns Zuagroaste erlebbar gemacht. Baierbrunn spannt damit den anspruchsvollen Bogen zwischen gelebter Tradition und Weltoffenheit. Ich ziehe meinen Hut (neu versteht sich, Tracht natürlich :-)) vor den Baierbrunner Maldn und Buam und freue mich auf eine tolle Festwoche und schöne Begegnungen in unserer wunderschönen neuen Heimat Baierbrunn.

 Tanja Misiak

Ich hab’ gut lachen, das mit den Scherstangen ist gar nicht leicht…