Vor genau 10 Jahren, am 13. Januar 2010, stieg ich mit einem kleinen Koffer in ein Flugzeug und flog von Warschau nach München. One way! Denn ein paar Tage zuvor hatte ich ein Umzugsunternehmen bestellt, das alle meinen restlichen Sachen packte und nach Deutschland brachte. Es waren vielleicht fünf Kisten: ein paar Bücher, Kleider, Schuhe, Schmuck, Fotoalben, Geschirr und alle Hochzeitsgeschenke, die bis dahin noch nicht nach München gebracht wurden. Ich hatte ja im Sommer 2009 geheiratet und nun, nach Beendigung meines Berufsprojektes in Warschau, konnte ich endlich zu meinem Ehemann nach München ziehen. In eine neue Wohnung, in eine neue Stadt und in ein neues Bundesland. Jetzt lebe ich bereits seit 10 Jahren in Deutschland und möchte Bilanz meines Lebens im Ausland ziehen!
One way ticket
Eine Auslandserfahrung hatte ich schon hinter mir – direkt nach dem Studium lebte ich für 1,5 Jahre in Lugano und anschließend weitere 18 Monate in Hamburg. Dieses Mal jedoch ging es nicht mehr um einen temporären Aufenthalt, sondern um eine Abreise “für immer”. Und obwohl mir dies sehr bewusst war, freute ich mich vor allem auf meinen Mann und unser neues Lebens zu zweit. Das Thema “Auswanderung” spielte damals für mich keine große Rolle..
Nach einer kurzen erfolglosen Bewerbungsphase wurde ich schwanger und mein Fokus änderte sich radikal: Ich konnte und wollte mich nicht mehr bewerben, sondern konzentrierte mich auf die Familiengründung. Diese längere Familienphase dauerte ca. weitere zwei Jahre, in denen ich mir zwar Gedanken über meine berufliche Zukunft machte, mich aber weiterhin auf meiner Familie konzentrierte. Zwei Jahre brauchte ich, um in München richtig anzukommen, mich wohl zu fühlen und neue Bekanntschaften zu schließen. Diese Zeit brauchte ich nicht nur für meine Familie, sondern auch für mich, um die neue Situation zu verarbeiten. Und um zu verstehen, was es tatsächlich bedeutet, im Ausland zu leben. Ich musste mich selbst neu als Frau, als Polin und als Mama “erfinden”.
Verschiedene Phasen der Auswanderung
Die Auswanderung nimmt uns etwas weg und es hängt von einem selber ab, wie man diese Lücken ausfüllt. Manche stürzen sich ins Berufsleben und möchten sich oder jemanden etwas beweisen. Andere bleiben eher in den bekannten Kreisen, in denen sie sich wohl fühlen. Es gibt viele verschiedene Möglichkeiten damit umzugehen. Für mich war es vor allem meine Familie, die mir den Halt gegeben hat – mein Mann und mein Baby. Mein Leben drehte sich um die beiden und mich als Mutter. Danach – als mein Sohn schon etwas älter wurde, fing ich an, mich wieder fit für den Arbeitsmarkt zu machen und mich nach möglichen beruflichen Lösungen umzusehen. Mein polnischsprachiger Blog “Pani Dominika” war bestimmt der erste Schritt in diese Richtung, auch wenn ich ihn zuerst ausschließlich als Hobby behandelte. Hier konnte ich mein Heimweh etwas stillen, mich mit der polnischen Community besser vernetzen und gleichzeitig mehr über meine neue Wahlheimat erfahren, weil ich ja viel über München und Deutschland schrieb.
Nach dieser Öffnungsphase verstand ich auch, dass die Auswanderung nicht nur schmerzhaft sein muss. Sie ist auch befreiend und fördert unsere Kreativität! Sie zeigt uns neue Lösungen und Möglichkeiten, stärkt uns enorm und schenkt neue Perspektiven. Sie ist eine neue Chance, mit alten Dingen abzuschließen und sich für neue Erlebnisse im Leben zu öffnen. Das war für mich tatsächlich ein Wendepunkt, der dann zur Gründung meines deutschsprachigen Blogs “Blog with Love” führte. Ich sprang von der Phase “Nehmen” ins “Geben” und fing an, mich auch der deutschen Community zu öffnen und zu nähern.
Das Gefühl als Partner auf Augenhöhe behandelt zu werden war für mich enorm wichtig: Ich wollte mich als ein Teil dieser Gesellschaft und einfach zu Hause zu fühlen, auch und gerade als Polin 🙂 Denn obwohl ich in Deutschland zu Hause bin, ist Polen nach wie vor meine Heimat!
Leben im Ausland: Neue Perspektiven
Wie geht es nun weiter? 10 Jahre ist eine runde Zahl! Es macht mich stolz, aber gleichzeitig auch nachdenklich. Ich fühle und bezeichne mich weiterhin als Polin und das wird sich nicht ändern. Ich bin aber auch nicht mehr dieselbe, die vor 10 Jahre in München aus dem Flugzeug ausgestiegen ist. Und falls ich jetzt wieder in ein anderes Land ausziehen müsste, hätte ich bestimmt mehr als nur fünf Kisten dabei! Außerdem fragen mich in Polen manche Landsleute, woher ich käme, da ich Polnisch angeblich mit einem leichten Akzent spreche 😉 Das ist nur ein äußerliches Zeichen dafür, dass ich mich auch innerlich verändert habe.
In den nächsten Jahren geht es mir darum, mein ganzes Potential auszunutzen und aus dem Spagat zwischen den beiden Ländern und beiden Sprachen das Beste zu machen. Ein paar Ideen habe ich bereits und meine beiden Blogs werden mich dabei sicherlich begleiten. Bleibt dran, um mehr zu erfahren! 🙂
Vielen Dank für diesen ehrlichen Einblick in Ihre Erlebnisse und Reflexionen über die letzten 10 Jahre in Deutschland! Es ist wirklich inspirierend zu sehen, wie Menschen ihre Erfahrungen in einer neuen Kultur so positiv nutzen können. Ich schätze Ihre Offenheit und die wertvollen Tipps, die sicherlich vielen anderen in ähnlichen Situationen helfen werden!